am 07. Oktober

85 Jahre passives Mitglied

Festbuch

100 Jahre MGV

Verein in den Zeiten des Nationalsozialismus

Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler vom Reichpräsidenten Paul Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Diese Ernennung und die Machtübernahme der Nationalsozialisten, führt auch für die Vereine in Deutschland schon bald zu grundlegenden Veränderungen.

Durch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März war die gesamte Staatsgewalt dem Nationalsozialismus übertragen worden. Der totale Geltungsanspruch der Partei führte zum totalen Machtanspruch, der alle demokratischen Grundrechte ausschaltete. Die absolute Bindung des Einzelnen war einer autoritären Befehlshierarchie untergeordnet, was auch für die der Reichskulturkammer unterstellten Sängerbünde und Gesangvereine galt. Die bisherigen Gaue wurden aufgelöst und durch die politischen Kreise ersetzt. Da der Kreis Karlsruhe, zu dem der Kraichgau zählt, zu ausgedehnt erschien, wurde aus verwaltungstechnischen Gründen Pforzheim von dort losgelöst und bildete zusammen mit dem Bezirk Bretten einen selbständigen Kreis. Im Auftrag der Kreisführung lud man die Vorstände der Gauvereine am 29. Oktober nach Flehingen ein, wo Herr Hock vom Gesangverein Frohsinn Bretten als vorgesehener Bezirksführer gewählt wurde. Bereits am 5. November fand auf dem Marktplatz in Bretten eine „vaterländische Sängerkundgebung“ sämtlicher Bezirksvereine statt. (Jubiläumsheft Sängerkreis Kraichgau 1888-1988)

„Am 5. November erhielt der Verein in Bretten vom Gau seine Hakenkreuzfahne. Dieselbe wurde auch in Bretten eingeweiht.“ (Protokolleintrag MGV)

Gemäß den Prinzipien der Gleichschaltung mussten sich alle Vereine organisatorisch nach dem Führerprinzip ausrichten. Der Vorsitzende war nun ein „Führer“ und regelte ohne Abstimmung mit dem von ihm ernannten Vorstand und Ausschussgremium das Vereinsleben. In den Satzungen der Vereine musste stehen, dass Mitglied nur noch werden konnte, wer arisch war und sich zur nationalsozialistischen Idee bekannte.

Am 01.04.1933 legt der 1. Vorsitzende des MGV, Franz Stäb, nachdem ihm zuvor die Ausübung seiner Tätigkeit als Ratsschreiber bei der Gemeinde Flehingen untersagt wurde, sein Amt nieder. Ihm schließt sich die gesamte Vorstandschaft an. Auch nach der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Ratsschreiber ist Stäb nicht bereit, wieder das Amt des 1. Vorsitzenden zu übernehmen. Bei der folgenden außerordentlichen Generalversammlung am 27. Mai 1933 werden die Mitglieder der Vorstandschaft neu gewählt. Zum 1. Vorstand wählen die 55 anwesenden Mitglieder Fritz Dehn, welcher bereits 1921-1927 dieses Amt innehatte.

Im Protokoll ist festgehalten, dass Stäb seinen Rücktritt bei der Versammlung begründet. Er „führt Klage, dass auch Sänger in der politisch bewegten Zeit nicht objektiv blieben“.

Bei dieser einen Wahl 1933 soll es aber nicht bleiben. Die neuen Bestimmungen zur Umsetzung des Führerprinzips auf Vereinsebene zwingen zu erneutem Handeln.

13.11.33 Ausschusssitzung im Gasthaus Fünf Schneeballen: „Nach den neuen Bestimmungen muss im Verein Gleichschaltung vorgenommen werden. Der Gesamtvorstand erklärt hierzu seinen Rücktritt.“

Am 16. November 1933 findet im Schulhaus die zweite außerordentliche Generalversammlung in diesem Jahr statt. Hierzu sind nur die aktiven Sänger eingeladen. Per Akklamation wird Fritz Dehn einstimmig zum Vereinsführer des Männergesangvereins „Einigkeit“ Flehingen gewählt. Anschließend ernennt der neugewählte Vereinsführer seine Mitarbeiter in der Vorstandschaft. „Es wurden vom 1. Vorstand seine Mitarbeiter wieder ernannt.

2. Vorstand: Hermann Kraft, Schriftführer: Fritz Schneider, Kassier: Leo Hirsch“

Vereinsfeste werden in den kommenden Jahren in weit geringerem Umfang stattfinden, als dies in den Jahren seit 1921 der Fall war. Zum einen liegt es an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, welche die Bevölkerung zur Zurückhaltung zwingen, zum anderen sind es aber auch die Vielzahl nationaler und politischer Veranstaltungen, welche die Sänger anderweitig in Anspruch nehmen.

Bei der Generalversammlung am 25.3.1934 wird berichtet, dass im Laufe des Jahres 1933 insgesamt 23 Mitglieder ausgetreten sind und der Verein aktuell 64 Mitglieder hat. Davon sind ca. 25 -30 als Sänger aktiv.

Zumindest in den Jahren 1936 und 1937 finden im Sommer Gartenfeste statt und 1938 beteiligt sich der Verein beim Gauwertungssingen in Ittersbach. Diese Fahrt wird für die Teilnehmer gleichzeitig zum Vereinsausflug erweitert.

Fastnachtsveranstaltungen gibt es in den 30er Jahren bis einschließlich 1939. Der Zuspruch zu diesen Unterhaltungs- und Tanzabenden bei der Bevölkerung ist sehr groß. 1938 und 1939 finden jeweils zwei Maskenbälle statt.

Bei den Probeaktivitäten ist bis 1939 aus den Protokolleintragungen kein Rückgang erkennbar.

So steht im Bericht zur Generalversammlung am 21.1.39: „Zu Verschiedenes teilt der Vorstand mit, dass der Probenbesuch ein guter war und dass es auch weiterhin so bleiben möge.“

Peter Lingenfelser

き Kipfmüller Medien